Mietgefühle

27. november 2023

 

 

Auf dem Münchener Flughafen: Der Autoverleiher SIXT bietet seine Oberklasse-Wagen als Träger von gemieteten Gefühlen an. Also kein Auto, sondern ein Gefühl für ein paar Stunden mieten. Nun ist das erst einmal keine große Einsicht. Werbung für Luxusartikel versucht schon immer ihre Objekte als Träger von Lebensgefühlen darzustellen. Ob es nun der berühmte Marlboro-Mann mit seiner verbeulten Kaffeetasse am Lagerfeuer nach Sonnenuntergang ist, das HB-Männchen aus der Nachkriegszeit oder auch das „kühle“ Jever, das im kühlen Seewind wahlweise an Bord oder nach dem Surfritt im arschkalten Nordseewasser verabreicht wird – immer transportiert das beworbene Produkt mehr als nur elementare Bedürfnisse. Der Clou bei SIXT aber ist die Sache mit der Miete. Herkömmliche Oberklassehersteller setzen auf Futurismus, woke Familiengestaltung, lässiges Understatement oder bräsiges Premiumbewusstsein – aber als Lebenshaltung, Daseinsstimmung, als angeeignete Atmosphäre. Dass man derlei haben wollen soll, war schon immer klar. Aber dass man auf die Idee kommen könnte, es sich einfach nur zu leihen, für ein paar Stunden oder Tage, und dass allein das Gefühl schon ausreicht, das da mietweise hinzukommt, wissend, dass das alles nur ein „als ob“-Status ist, nichts Festes, Beständiges, Zugehöriges – das markiert durchaus eine bedeutsame Differenz. Mieten, nicht haben. Teilen, nicht besitzen. Das liest sich fast wie ein verkappter Werbeclip für einen reduzierten Lebensstil. Oder wie Zynismus, wenn man es übel auslegt. Oder, das muss man betrübterweise hinzusetzen, als ein grandioser Unsinn: Als ob man Gefühle nach Ende der Leihfrist irgendwem wieder abgeben könnte …

Helmut Aßmann

 

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