Jordan I

22. april 2024

 

 

Wer „über den Jordan“ geht, ist „hinüber“. Tot in der Regel. Warum aber über den Jordan und nicht über die Elbe? „Über die Wupper“ – das gibt es auch noch. Vielleicht hängt das mit der Schwebebahn zusammen – ich weiß es nicht. Jedenfalls, beim Jordan ist die Sache klar. Wer „über den Jordan“ ist, befindet sich auf der anderen Seite der Wirklichkeit, im Land, „in dem Milch und Honig fließt“, wie es in der Verheißung Gottes an sein Volk während der Wüstenwanderung heißt. Jenseits des Jordans ist das Land der Erfüllung und der Heimat, in der es an nichts mehr mangelt. Das „Jenseits“ ist nun aber offenkundig keine irdische Größe mehr... . Unweit von Jericho hat den biblischen Berichten zufolge das Volk Israel am Ende der langen Wüstenzeit trockenen Fußes den Jordan überschritten. Ebenso ist ein halbes Jahrtausend später der große Prophet Elia wiederum trockenen Fußes an gleicher Stelle hinübergegangen, aber diesmal von West nach Ost, statt, wie das Volk damals, nach Westen ins verheißene Land. Und da gibt es noch eine dritte Sache. Der Täufer Johannes hatte sich eben diese Furt für seinen Auftritt ausgesucht und ließ die Menschen von Ost nach West gehen, wieder durch den Jordan, aber diesmal wurden sie nass, wenn er sie taufte. Will sagen: Wer unter nachbiblischen Zeiten ins gelobte Land möchte, muss über den Jordan, und er kommt auf der anderen Seite anders heraus als er auf der östlichen Seite hineingekommen ist. Der Weg ins vollendete Leben hat keine light-Version. Da bleibt nicht nur kein Auge trocken. Da wird alles durchgewaschen …

Helmut Aßmann

 

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